Me Carsten Kreilaus

Ein Tag ohne Werbung

Am Tag werden wir mit bis zu 10.000 Werbebotschaften konfrontiert, welche wir bewusst oder unbewusst wahrnehmen. Nach Werbung gefragt, werden die wenigsten Verbraucher verlauten, dass sie gerne Werbung schauen. Die Standardantwort geht eher in Richtung: Werbung nervt mich und ich würde sie nicht vermissen. Gibt es etwas Gutes an der Werbung? Nein. Auch in der Wirtschaft gilt das Marketing nicht gerade als die Lieblingsabteilung, insbesondere für den Vertrieb. Spaßabteilung oder Geldvernichter dürfte es aus deren Sicht treffend beschreiben. Und sowieso nicht notwendig und außerdem: Marketing kann eh jeder. Vermisst werden würde das Marketing also auch hier nicht. Warum gibt es dann das Marketing und wie sieht unser Alltag ohne Werbung aus? Ist das Resultat unseres Produktalltags die Uniformität…

No logo. Das Logo zur Orientierung und Schnelleröffnung des Kopfkinos ist damit raus. Die Zahnpastatube, das Shampoo, das Duschgel und auch das Parfüm, einfach alle Verpackungen sind farblos, schlicht im Auftritt und ohne aufgedruckte Namen. Wäre auch Werbung, differenzieren sie doch das Gesamtbild gegenüber gleichartigen Produkten. In einer Welt ohne Werbung sind auf den Verpackungen die entsprechenden Inhaltsstoffe zu finden sowie die jeweilige Kategorisierung. Ich bin ein Duschgel.

Es zählt der Inhalt. Die Produktqualität ist der König und wird zur Produktwerbung in der werbefreien Welt. Wie finde ich zum Produkt, bettelt es doch nicht lautstark um meine Aufmerksamkeit? Was wird der Auslöser für die Kaufentscheidung? Die Produktgestaltung? Das Design differenziert wie die Werbung und wird neben der Qualität, dem Inhalt und Mehrwert der jeweiligen Produkte zum Kaufkriterium schlechthin. Aber ist das dann nicht schon wieder Werbung per definitionem? Irgendeine Orientierung braucht der Mensch, brauche ich, um eine verlässliche Entscheidung zu treffen, die mir ein sicheres Gefühl gibt. Wenn die Werbung als Variabel wegfällt, entscheidet der Geschmack mit. Apple bleibt Apple. Red Bull gäbe es nicht mehr! Oder kauft ihr tatsächlich das Getränk wegen dem guten Geschmack und dessen belebender Wirkung. Die Werbung baut eine Welt in uns auf, löst individuelle und unterschiedliche Assoziationen aus. Ohne Werbung gibt es unser Kopfkino nicht mehr. Aber zurück in den werbefreien Alltag. Beim Frühstück widme ich mich der Morgenlektüre. Beim Lesen der Zeitung erfahre ich das Neueste aus aller Welt, den Klatsch und Tratsch, das politische Zeitgeschehen, was mich noch so bewegt und interessiert: das interessante aus dem Wirtschafts-, dem Sport- oder Kulturteil. Nur eines läuft mir wieder nicht über den Weg, die Werbung. Gut, ist mir nicht aufgefallen. Ich kenne keine Werbung. Wenn ich diese kennen würde, hätte ich zumindest eine Begründung warum meine Zeitungen und Zeitschriften preislich gesehen ein echter Luxus sind. Ist die Werbung also nur ein in Kauf genommener Preisreduzierer? Zurück zu meinem Tag. Auf dem Weg zur Arbeit höre ich im Auto meinen Lieblingssender. Liebling trifft es nicht ganz, da mir zu viel Standard gesendet, nicht immer und oft mein Musikgeschmack getroffen wird. Ich kann das nachvollziehen, ehrlich. Der Sender muss viele Geschmäcker bedienen. Dafür zahle ich allerdings zu ordentlich. Umschalten, ja wohin. Von Senderauswahl habe ich bisher nichts vernommen. Liefert uns die Werbung möglicherweise die Vielfalt frei Haus? Ach ja, Werbung kenne ich nicht. Zurück zu mir. Mein Briefkasten ist überwiegend mit relevanter Post gefüllt, sehr übersichtlich. Keine Anzeigenblätter, Wurfsendungen und wichtige, persönliche Werbebriefe, die meinen Briefkasten verstopfen. Ein echter Vorteil, wenn ich von deren Existenz wissen würde. Aber wo gibt es derzeit meinen Lieblingskäse im Angebot. Ist die Werbung ein Informationskanal? Mein virtueller Briefkasten ist ebenso übersichtlich und um einige Bytes leichter. Kein Spam, keine Newsletter mit den neuesten, besten Angeboten, die nur heute angeboten werden, abgesehen von… Tiernahrung. Ganz nebenbei, einfach ist es auch und nur jetzt verfügbar. Woher sollte ich das wissen. Die Internetsuche liefert mir mehr Relevanz, wenn ich denn die ständigen nicht relevanten Anzeigen, Bannerkampagnen und inhaltslosen SEO-Seiten kennen würde. Gefunden wird, was ich suche. Eine Nutzerorientiertheit dominiert das Web. Wer aber legt dann meine Präferenzen fest? Der Algorithmus dafür muss ziemlich mächtig, allwissend und sozial sein. Es scheint mir fast so, als wenn meine rationale und emotionale Hemisphäre um eine virtuell verantwortlich ergänzt ist. Alle Drei interagieren miteinander. Der Anblick der Websites ist nüchtern, aber gewohnt. Es gibt viel zu lesen. Content is king. Ist Werbung Entertainment? In der Natur stört kein Plakat den Blick auf die Natur, kein Citylight verkürzt mir die Wartezeit bis zum nächsten Bus. Nun gut. Zeit haben wir ständig zu wenig. Was aber, wenn der TV-Spielfilm statt 120 Minuten nur noch 96 Minuten dauert, ohne Werbeunterbrechung. Wir haben mehr Zeit, die wir für andere Dingen verwenden können. Es bleibt nur ein Problem: Wann gehen wir auf Toilette, wer holt das nächste Getränk und verpasst die spannende Schlüsselszene? Und wieso bloß gibt es auch hier so wenig Sender? Aber von alle dem weiß ich nichts.

Fragen auf die uns die Werbung eine Antwort liefert. Ja, Werbung nervt, aber nur wenn diese schlecht exekutiert ist. Schlechte Werbung würde ich sehr gerne von der Bildfläche verschwinden lassen und zu viel des Guten war noch nie zielführend, eher überflüssig. Gott sei Dank ist die Beurteilung ob gut oder schlecht Geschmacksache und muss jeder für sich entscheiden. Werbung bietet in jedem Fall eine Orientierung. Werbung reduziert die gefühlte Komplexität in der Welt. Sie muss dabei nutzerorientiert sein, was nicht gleichzusetzen ist mit langweilig. Ich für meinen Teil würde die Werbung vermissen und kann sehr gut mir ihr leben. Am Ende macht Werbung nicht alles alleine, aber den Unterschied auf den es ankommt! Ach, und den Vertrieb kann ich beruhigen: Marketing ist keine Abteilung. Alles ist Marketing, von daher ist alles gut!

In diesem meinem Sinne, bis demnächst.