TV im Umbruch
Schaut außer mir noch jemand Fernsehen? Ich treffe immer mehr Leute, bei denen die Glotze aus bleibt. Entweder weil sie keine Zeit haben, eh nur „Schrott“ gesendet wird oder aus purem Idealismus. Bei letzteren ist der Fernseher meistens schon abgeschafft. Ich für meinen Teil schaue definitiv zu viel Fernsehen, zum einen aus beruflichen Gründen, aber auch der Unterhaltung wegen oder sollte ich lieber sagen der seichten Berauschung halber. Gleichzeitig gewinnt das Bewegtbild im Netz immer mehr an Relevanz, ein Video erzeugt in der Kommunikation eine hohe Resonanz. Ohnehin scheint mir der Mensch immer mehr passiv zu konsumieren, was die hohe Resonanz von Videos erklären würde. Ist doch auch viel einfacher als zu lesen, weil der Mensch ja durchaus faul ist. Was passiert also mit dem TV-Konsum, erleben wir hier gerade einen fundamentalen Wandel? Betrachten wir die einzelnen Gründe der TV-Abneigung genauer.
Die Zeit.
Gefühlt haben wir immer weniger Zeit, der Alltag ist mehr als ausgefüllt und wir sind ständig getrieben und gehetzt. Wenn wir nicht arbeiten, wollen wir unseren Hobbies nachgehen, Zeit mit Freunden oder der Familie verbringen, Sport treiben usw. Es gibt immer etwas zu tun und nie genug Zeit. Wo bleibt da noch Zeit zum Fernsehen? Umso verwunderlicher die Entwicklung der täglichen TV-Sehdauer, die 2010 im Schnitt bei 223 Minuten liegt. Seit Jahren steigt diese an. Woher nimmt der durschnittliche Deutsche so viel Zeit zum Fernsehen oder anders gefragt: wenn viele kaum bis wenig schauen, dann müssen einige doch nur vor der Glotze abhängen, was wahrscheinlich auch die Formate erklärt, aber dazu später mehr. Die Sender-Programmplanung ist sehr „pushig“, gibt uns die Startzeit der Sendungen vor. Sie erwarten von uns, sich beim Konsum nach den vorgegebenen Uhrzeiten zu richten. Dafür bleibt zum einen immer weniger Raum, zum anderen durch weniger Spielmöglichkeiten in der Alltagsgestaltung auch immer weniger Lust. Eine individuelle Zeiteinteilung wird durchs beschleunigte Leben zu unserem eigenen Wunschtaktgeber. Damit scheint es so, als ob sich der Fernsehkonsum tatsächlich verändert. Die technologische Entwicklung erlaubt uns, dank bspw. Festplattenrekorder oder ganzer buchbarer Programm-Pakete, das Format zu schauen, was wir und wann wir wollen. Desweiteren werden unsere Lieblingssendungen immer mehr direkt im Internet gestreamt, was unserem Drang nach Freiheit entgegenkommt.
Die TV-Formate.
Was im TV derzeit gesendet wird, sieht im Großen und Ganzen nach einem mutlosen Konzept aus. An Spielfilmen und Serien wird gesendet, was in den USA funktioniert. Was dort funktioniert, muss aber noch lange nicht hier funktionieren, denn trotz Amerikanisierung unterscheiden wir uns in Kultur und Gesellschaft. Was gibt es sonst noch zu sehen. Nachrichten, Dokus und vor allem Talk-, Game-, Casting-Shows und Doku-Soaps. Gerade die letzteren sind nach dem üblichen Muster „Brot und Spiele“ gestrickt. Sehr einfach und unterhaltsam, aber auch nicht gerade bildend. Das scheint aber a) niemanden zu stören und b) keiner wirklich zu vermissen. Warum eigentlich nicht? Der Zuschauer will unterhalten werden und nicht am Fernsehen lernen. Der Alltag ist schliesslich anstrengend genug. Hirn aus und Glotze an scheint das Motto zu sein. Wie ansprechend und lehrreich wirken hingegen viele BBC-Dokumentationen, um ein leuchtendes Beispiel zu nennen. Nun ja, können wir uns zumindest auf YouTube anschauen und dann und wann werden diese auch bei uns im TV ausgestrahlt. Fernsehen als Bildungskanal scheint hierzulande nicht gefragt zu sein, sorry arte und Co. Tatsächlich mußte ich erfahren, dass DSDS kein Hartz IV TV ist und bei vermeintlich „Gebildeten“ sehr gut ankommt. Das bestätigt das Fernsehen als passiven Konsumakt. Interaktion ist aber Teil des menschlichen Daseins und daher auf Interaktion Angelegtes viel näher am Leben. Mit eine Erklärung für den Erfolg vom Internet im Allgemeinen und derzeit facebook & Co. Dem TV fehlt einfach der Rückkanal und den Sendern, respektive Senderverantwortlichen, erst recht.
Die Idealisten.
Sie sind eine Paarung aus Zeitlosen und Programmfrustierten. Überzeugt, dass dem Fernsehen von heute nichts abzugewinnen ist. Bücher und Internet mehr zum persönlichen Fortschritt beitragen, als Fernsehen dazu in der Lage ist. TV ist und macht doof. Insofern ein Indiz mehr für einen anderweitigen Konsum jenseits von Fernsehen.
Alles in allem sollten und müssen sich die Sender schnellstens auf die Zukunft einstellen und die heißt „Fernsehen, wann, wo und was ich will!“. Die Zuschauer sollten mehr in die Programm- und Formatstrategie eingebunden werden. Durch Zuhören und den Dialog lernen, statt Statistikauswertungen zu Rate zu ziehen. Eine Einbahnausstrahlung wird nicht mehr lange funktionieren, je mehr interaktive Zweikanalangebote am Markt zu bekommen sind. Und: getreu Social Media ist auch hier der Content King.
In diesem meinem Sinne, bis nächsten Sonntag.