Me Carsten Kreilaus

Weniger ist mehr

Aufgewachsen bin ich mit dem Ideal von höher, schneller, weiter. Um dieses zu erfüllen und zu leben bin ich zur Schule gegangen, habe studiert und später im Beruf viel getan der Maxime zu genügen. Besser gesagt, zu gehorchen. Ich habe mein Ich dabei öfters ignoriert. Darauf bin ich nicht stolz, bereue aber nichts. Gerade im Beruf müssen wir Entscheidungen mittragen, die wir aus freiem Willen anders angegangen wären. Das wir es dennoch tun, liegt an der einfachen Ausrede: wir müssen, der Chef hat’s angeordnet. Der Trost für unser Selbst ist, dass wir keine direkte Schuld tragen. Im Beruf sollten wir unser Glück finden. Diese Erfüllung ist wichtig für das Seelenheil, wo bleibt sonst der Sinn für unser Dasein. Die Arbeit gepaart mit dem Privaten führt erst zum vollständigen Glück. Alles ist eins und gehört zusammen, ist miteinander verwebt.

Für mich ist die Kategorisierung in Arbeit und Privat zu industriell betrachtet, nicht mehr zeitgemäß. Über Social Media lassen wir die Welt sehr viel Privates wissen. Die zukünftigen Entscheider sind heute bei Facebook, Google+ aktiv. Der Umgang mit der wachsenden Transparenz und deren Einfluß wird zunehmend wichtiger. Heute mag der ein oder andere die Trennung mit der Begründung aufrechterhalten sich nicht angreifbar zu machen. In Zukunft ist das Private integraler Bestandteil. Die Arbeit gehört zum Privaten und das Private zur Arbeit. Und das ist gut so. Das Private bringt das Menschsein in den Arbeitsalltag rein, das fördert ein respektvolles Miteinander. In der richtigen Mischung zwischen arbeiten und privaten liegt die Wahrheit. Ich muss nicht von 9 bis 19 Uhr Büroanwesend sein. Die Flexibilität ist viel harmonischer. Was spricht dagegen nach der Gutenacht-Geschichte für unsere Kinder noch ein paar E-Mails zu beantworten, wichtige Telefonate zu führen. Für mich herrscht heutzutage zwischen der hauptsächlich beruflich getriebenen Wirklichkeit und dem gewünschten Leben eine Diskrepanz. In der Arbeit arbeite ich an dem Weg zu mehr Freiheit, Individualität und Selbstverwirklichung und damit fühle ich mich sehr wohl.

Außerdem reift in mir die Erkenntnis, dass dies nicht alles sein kann. Irgendetwas fehlt. Die Ressourcen der Welt sind nicht unendlich, ich brauche nicht immer die neueste Generation von irgendetwas. Verschwendung und zu viel Besitz kann und empfinde ich zunehmend als Belastung. Es gibt Gegenstände, die ich mag, um mich haben, benutzen will. Der Unterschied liegt in der bewussten Wahl: Was ist wirklich wichtig? Die inneren Werte verschieben sich und wenden sich vom klassischen Materialismus ab. In den Vordergrund treten die Familie, Freunde und ich Selbst. All dies scheint zu kurz gekommen und vernachlässigt, was zur eigenen Unruhe beiträgt und in Unbehagen mündet. Ich möchte weiterhin gut Leben und das ist durchaus an typischen materialistischen Wünschen geknüpft. Reisen müssen leistbar bleiben, mein Traumhaus steht in der Vorstellung und Essen gehe ich auch gerne. Vor allem der Familie möchte ich was bieten können. Einzig die Vorstellung über das Was ein gutes Leben ausmacht, ist verschoben. Dazu gehört die Erkenntnis, das weniger mehr ist. Das gilt im Privaten, als auch im Beruf. Der Verzicht ist gut, wenn er aus freier Entscheidung geschieht und nicht aus der Notwendigkeit heraus. Vielleicht ist dies gar kein gesellschaftlicher Trend, sondern die Sinnfrage eines 40-Jährigen.

In diesem meinem Sinne, bis demnächst.