Me Carsten Kreilaus

Dem Algorithmus der Wirtschaft fehlen die Faktoren Mensch und Umwelt

Zu Zeiten der Industrialisierung wurde die Arbeit vom Management in immer kleinere Arbeitsschritte zerlegt. Durch die Standardisierung wurde die Arbeit messbar, mit dem Ziel, Kostenvorteile zu gewinnen. Heute übernehmen Algorithmen diese Zerlegung in unendlich viele kleine Schritte, für die Handlungssteuerung zur Lösung eines Problems. Die Algorithmen sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Einige der erfolgreichsten Unternehmen basieren rein auf Algorithmen. Die Automatisierung und Standardisierung sind dabei wesentliche Treiber des heutigen Wirtschaftswachstums. Die Algorithmen versuchen die Wirklichkeit nachzubilden, berücksichtigen aber nicht die individuell und irrational handelnden Menschen. Der Faktor Mensch wird ausgeklammert, egal ob in der Industrie oder im Internet. Das ist ein Problem.

Die Beziehung zwischen Mensch und Maschine ist eine zu tiefst gestörte. Wir empfinden die als Arbeitserleichterung gedachten Maschinen zwar als Hilfe, zugleich aber auch als Belastung. Die Maschinen wollen oft nicht wie wir es uns wünschen, je nach Bedienung oder fehlerhafter Programmierung. Die Eingabe erfolgt immer noch unnatürlich. Eine zwischenmenschliche Kommunikation schaffen die heutigen Maschinen nicht. HAL 9000 aus dem Film „Odysee im Weltraum“ kommuniziert mit den Crew-Mitgliedern, da er intelligent genug ist. Seine Intelligenz beunruhigt uns zugleich, aus Angst, die künstlich geschaffenen Maschinen übernehmen die Weltherrschaft und vernichten uns. Der Terminator ist die filmische Folge unserer Schreckensvisionen vor überintelligenten Maschinen. Scheint menschlich zu sein, immer das Negative in einer neuen Technologie zu sehen, anstatt die Chancen für eine Lebensverbesserung. Zurück zum Algorithmus und dem Faktor Mensch. Der Mensch redet am liebsten mit Menschen, weil dieser ihm direkte Antworten liefern kann. Antworten mit Relevanz. Ich für meinen Teil fühle mich unwohl und unsicher, wenn mich eine Maschine bedient. Die Zufriedenstellung meiner Bedürfnisse ist ein angenommenes Zufallsprodukt. In vielen Fällen bleiben Fragen offen. Ich möchte Antworten, einen Dialog führen und nicht warten, bis evtl. eine Anfrage bearbeitet wird. Ein Grund warum Social Media so erfolgreich ist. Der Dialog wird nachgeahmt und die Reaktionszeit gefühlt zur Echtzeit. Meine Suche im Netz gleicht eher der Antwort eines Kleinkindes, welches seine Welt erst entdeckt. Eine gezielte Antwort ist nicht zu erwarten. Der Output ist eine Linksammlung, durch die ich mich weiter durchwühlen muss auf der Suche nach Antworten. Bleibt zu hoffen, dass sich dies mit dem Erwachsenwerden ändert. Die unaufgeforderten Antworten der SEO-Kleinkinder sind dabei richtig nervig. Ich kann nicht unterscheiden, welche Antwort ernst gemeint ist und welche nur rein gerufen werden, um für einen Botschafter Gehör zu finden. Ein Algorithmus schafft – noch – nicht das Erlebnis einer natürlichen Kommunikation. Der Mensch ist in der Lage, individuelle Anfragen und Unvorhergesehenes zu bearbeiten. Der Algorithmus ahmt die Wirklichkeit wunderbar nach. Er folgt aber nur seinen eigenen – vom Programmierer – geschaffenen Regeln. Er erfindet sich nicht selbst neu, reagiert nicht auf unvorhergesehene Zufälle und denkt mit. Der Mensch bleibt unersetzlich im Unternehmensalltag. In vielen Unternehmen dauert es mit dieser Erkenntnis noch eine Weile. Auch der Mensch stößt an seine Grenzen, wenn er sich stur dem vorgegebenen Schema F unterwirft. Die Bürokratie und vom Management gesteuerte Zentralität nutzen nicht das Potenzial des Kollektivs. Starre Regeln behindern erfolgreiche und dynamische Arbeit. Eine Flexibilität und eigenverantwortliches Handeln ist Voraussetzung für einen befriedigenden Job. Der Kunde möchte eine Lösung für sein Problem. Unternehmen sollten sich daher fragen, wie sie ihren Kunden helfen können, nicht was sie ihm verkaufen. Algorithmen bieten – wie jede Technik – eine Hilfestellung und vereinfachen unsere Arbeit. Das ist gut so. Sie sind aber nicht per se die Lösung.

Es mangelt an Menschlichkeit in der Wirtschaft. Die Wirtschaft ist aus den Marktplätzen entstanden und dort steht der Dialog im Vordergrund. Die Wirtschaft entwickelt sich gerade dank Social Media und dem Internet in diese Richtung. Der Satz „Märkte sind Gespräche“ hat nichts an Wert verloren. Im Gegenteil: der Trend geht wieder zur Individualität, weg von der Massenfertigung mit seinen gleich aussehenden 08/15 Produkten. Ich begrüße diese Entwicklung und wünsche mir meine Individualität. Ich gehe lieber in einer Mode-Boutique einkaufen, statt in einer der üblichen Fußgängerzonen-Ketten. Trinke lieber meinen Kaffee in einem kleinen – mit viel Leidenschaft – inhabergeführtem Café als bei Starbucks & Co. Ganz zu schweigen vom Essen gehen und Lebensmitteleinkauf. Wo bleibt das Revival der Tante Emma Läden? Das ist kein Plädoyer für den Rückschritt in die Vergangenheit. Individualität und Zukunft in Form von Algorithmen sind kein Ausschluss, sie sollten aber sinnvoll Hand in Hand gehen und damit die Wirtschaft der Zukunft menschlicher gestalten.
Natur und wir sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht
Den Faktor Umwelt dürfen wir nicht vergessen. Dieser findet ebenfalls keine Berücksichtigung. Die Umwelt ist derzeit ein Selbstbedienungsladen. Wir nehmen uns, was wir brauchen, ohne Rücksichtnahme. Als Teil der Allmende leidet diese unter dem Dilemma, dass die Allgemeinheit nicht hegt und pflegt, was ihr nicht persönlich gehört. Ich verstehe das nicht, denn genau wie wir die öffentlichen Toiletten wie zu Hause vorfinden möchten, sollte man diese auch zurücklassen. Funktioniert nur irgendwie nicht in der Masse, wie wir alle wissen. Warum? Es kümmert sich schon irgendjemand darum. Warum soll ich mir die Mühe machen? Wir sind bequem. Darunter leidet die Umwelt. Es muss erst weh tun, bevor wir beginnen, die Natur zu schätzen. Das funktioniert durch Katastrophen – die sich keiner wünscht – oder durch erhebliche Kosten in Form von Wir-zahlen-was-wir-der-Natur-antun. Die Natur ist ein Gut wie jedes andere auch und wird messbar gemacht. Da können Algorithmen als mathematisches Konstrukt sicher helfen und zu einem Paradigmenwechsel führen. Alles, was wir zu Lasten der Natur tun, erhöht unsere Umweltkosten. Alles, was wir für sie tun, gleicht unser Saldo aus. In der Gemeinschaft gibt es sicher zahlreiche kluge Köpfe, die hierbei hilfreich programmieren können. Ich würde mir ein Zusammenschluss von Unternehmern wünschen – wie bspw. die B Corporation, noch globaler – die die Kosten der Umwelt berechnen. Unternehmer, die nicht rein profitorientiert handeln, sondern Mensch und Umwelt gleichermaßen in der Gleichung berücksichtigen. Zusätzlich ist der Mut der globalen Politik gefordert, dies gesetzlich gegen eine sich auflehnende Lobby durchzusetzen. Am Ende zahlen wir wirklich faire Preise und schaffen uns die Basis für den greener-life, mit einer besseren Wirtschaft, mehr Offenheit, Ehrlichkeit, Gleichwertigkeit und einem ökologischem Wandel, kurzum:
act-with-respect gegenüber Mensch und Umwelt ist in der Wirtschaft mehr denn je notwendig!