Me Carsten Kreilaus

Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler

Diese alte und bekannte Marketing-Weisheit ist nicht mehr zeitgemäß. Natürlich muss der Wurm Relevanz für den Fisch haben, ansonsten wird er nicht wahrgenommen, nicht gegessen. Die Fische sind satt und die berechtigte Frage aus deren Sicht: Warum soll ich ausgerechnet diesen Wurm essen? Den Hunger zu stillen ist in den heutigen Industriegewässern nicht mehr notwendig. Die Fische sind grundsatt. Aus diesem Antrieb heraus wird der Fisch nicht zwangsläufig zugreifen. Die Aussage ist nicht grundlegend falsch, allerdings der Wirkungsmechanismus sei in Frage gestellt. Dem Angler muss als „Reason why“ mehr für den Fisch einfallen. Der Wurm muss dem Fisch gefallen. Das Entscheidungskriterium ist für ihn die Welt drumherum, die gehegte Sympathie für den Angler und seinem angebotenen Wurm. Ideal, wenn dieser ihm von seinen Fisch-Freunden empfohlen wird. Die bekannten Fische verstehen sich. Damit steht einer Wahl nichts mehr im Wege.

Auch der Zwangs- und Verführungscharakter dieser verbreiteten Phrase ist überholt. Das „Muss“ funktioniert in den aufgeklärten Seen nicht mehr. Die Fische von heute lassen sich nichts mehr aufschwatzen. Der Fisch ist wählerisch. Kann er auch sein, schließlich hängt ein Wurm neben dem anderen. Und diese sind austauschbar. Das Angebot wird er vergleichen und sorgfältig abwägen. Eine aufdringliche Anbiederung ist ihm verpönt, vergrault ihn und verfehlt ihren eigentlichen Zweck. Alle Würmer buhlen um die Aufmerksamkeit der Fische, wie sollen sie sonst gefunden werden. Die Aufmerksamkeit ist ein wichtiger Faktor im täglichen Verkaufskampf. Tausende von Werbebotschaften prasseln auf die Fische ein und dieser kann sich nicht alle merken. Die Halbwertzeit der Wurm-Propaganda wird immer geringer. Umso wichtiger sind Vertrauen und Zuverlässigkeit für die Fische. Der Angler kann noch so viel kommunizieren. Wenn die Fische ihm nicht glauben und enttäuscht sind, wird er auf seinen Würmern sitzen bleiben. Letztlich muss der Wurm schmecken, die Werbung verkaufen. Hier ist mehr verlangt, als den Wurm ins Wasser zu hängen. Eine gute Geschichte ist viel wert. Der Fisch kommuniziert dem Angler was er will. Dafür muss der Angler zuhören. Der Angler muss den Fisch verstehen. Was will er von mir. Hier ist Empathie gefragt und genau diese fehlt vielen Anglern. Der eigene Geschmack ist für den Erfolg nicht maßgeblich, sondern ausschliesslich die Befriedigung der Fisch-Wünsche. Zu oft werden Marketingkampagnen anhand des eigenen Geschmacks entschieden, welcher bestenfalls ein Filter sein kann. Es ist egal, ob die Kampagne dem Angler gefällt oder nicht, wichtig ist die Aufmerksamkeit der definierten Fischgruppe zu erreichen. Schlimmer ist nur eine für den Angler-Vorstand konzipierte Wurm-Kampagne. Der Angler muss sich eins merken: der Fisch ist ein Fisch und möchte so behandelt werden. Eine Standardisierung und Klassifizierung ist nicht zielführend, genauso wenig wie die Fischteichforschung. Der Fisch ist mehr und es gibt viele Fische. Keiner ist wie der Andere.

Die Fischgruppe zu identifizieren ist schwierig genug. Der Einfachheit halber wird das immer noch praktiziert. Effektiver und effizienter ist die direkte Kommunikation zwischen Angler und Fisch und zwar wann und wo der Fisch dies wünscht. Das Gespräch scheitert noch an den unterschiedlichen Sprachen und mangelnden Kommunikationstechnologien zur Übersetzung. Der Weg geht allerdings hin zum Fischen ohne Angel und Wurm. Bis es soweit ist, ist es mit einer Angel nicht mehr getan. Der Angler braucht für die verschiedenen Reviere der Fische einige. Der Wurm muss dort auftauchen, wo der Fisch sich gerade befindet, ihn dort erreichen, wo er ihn gerade konsumieren möchte und das ist heute nicht mehr nur der eine Teich. Es gibt unzählige Möglichkeiten. Der Angler sollte sich die Frage stellen, wie er den Fisch ortet oder ob er sich mehrere Angeln leisten will, kann, muss. Der Fisch von heute ist nämlich verdammt mobil. Sein ständiger Begleiter ist das Smartphone. Dieses könnte seine zentrale Schnittstelle für die gesamte Kommunikation werden, egal ob zum Angler, dem eigenen Heim oder zu den anderen Fischen. Der Fisch muss dafür einen Anreiz erhalten, in dem er eine angemessene Bezahlung erhält für die Freischaltung dieser Wurm-Kommunikation. Der Fisch ist am Drücker und entscheidet, wann er wo seinen Wurm haben möchte. Die Zukunft der Wurm-Kommunikation findet im mobilen Internet statt.

Die bisherige Phrase muss daher aktualisiert werden: „Ein guter Angler kennt den Geschmack seiner Fische.“ In diesem meinem Sinne, bis demnächst.