Me Carsten Kreilaus

Geistige Entrümplung

Wir leben in einer Zeit, in der wir alles, überall und zu jeder Zeit erledigen können. 80 Minuten sind wir durchschnittlich pro Tag unterwegs. Unser ständiger Begleiter: ein Kommunikationsgerät. Wir telefonieren, posten, googlen, twittern, SMSen, sharen, lesen was der Akku hergibt. Und das alles zu jedem Zeitpunkt. Wir gönnen uns selbst keine Pausen. Die Auseinandersetzung mit einer wichtigen Person geht verloren, das Ich bleibt auf der Strecke. Das führt zur inneren Rastlosigkeit, lässt uns von einem Ereignis zum nächsten hechten. Wir glauben an die Gleichzeitigkeit. Die Aufmerksamkeit reicht nur bis zum Aufblitzen einer neuen Nachricht, der Meldung eines verpassten Anrufs, ist flüchtig. Jede Nachricht, jeder Post verbindet uns scheinbar mehr mit dem Leben. Lässt uns immer mehr wissen. Unser Kommunikationskonsum ist gigantisch. Das verfügbare Wissen nicht minder. Ein Trugschluss. Zwar wissen wir vieles mehr als früher, verarbeiten können wir es nicht mehr. Reflexion. Keine Zeit dafür. Im Privaten wie in der Arbeit geht uns die Tiefe verloren. Wir werden das Gefühl nicht los, nicht mehr Herr unser selbst zu sein. Je mehr wir wissen, desto orientierungsloser sind wir. Wir suchen immer weiter nach Antworten, gehorchen demselben Rhythmus. Muss sein, das ist der Zeitgeist. Das ist der Alltag, dem alle hinterher rennen. Das muss ich auch. Durchatmen, keine Chance. Später finde ich eine ruhige Minute. Weit gefehlt. Jede freie Minute wird gesurft, konsumiert. Wir verpassen sonst den Anschluss am Leben, anderer. Vielleicht, wenn der Akku unser Technikspielzeuge leer ist. Kurze Atempause, in denen wir eine seltsame Leere spüren. Gott sei Dank ist die nächste Steckdose nicht weit. Ist das unser Leben, das wir leben? Oder leben wir ein Leben neben der Realität. Leben wir vielleicht unser soziales Ich, welches wir wieder und wieder füttern mit Orten, Gedanken, Interessantem, Meinungen die gefallen sollen. Feedback, bitte jetzt. Schon irgendwelche Likes?

Das Zentrieren wird zur zentralen Aufgabe für mehr Aufmerksamkeit die wir unserem Ich widmen sollten. Dem realen Ich müssen wir mehr Platz in unserem Leben einräumen, es muss die Oberhand gewinnen. Alleine für unsere Nächsten, die Familie, Freunde. Vor allem für uns Selbst. Sind wir glücklich, können wir unsere Zufriedenheit, Freude und unser Glück weitergeben. Was uns bei der gefühlten Nähe zur ganzen Welt abhanden kommt, ist unser Standbein in der Realität. Trotz vieler „Freunde“ isolieren wir uns zunehmend. Der Gemeinschaftssinn geht abhanden und damit die wichtige Voraussetzung gemeinsam an einer lebenswerten Zukunft zu arbeiten. Respekt. Aufrichtigkeit. Ehrlichkeit. Genügsamkeit. Gerechtigkeit. Fleiß. Mäßigung. Demut. Tugenden, die förderlich für die Gesellschaft sind. Damit letztlich für eine Qualitätssteigerung unseres gemeinsamen Lebens. Nicht alles was uns als wichtig verkauft wird oder unsere Kommunikationsgeräte wie Handy, Smartphone, Netbook oder Tablet uns gerade als solches mitteilt, hat Relevanz. Der vorgegaukelte Aktualitätswahn ist nicht entscheidend für unser Leben. Im Gegenteil, es zerrt an unseren Kräften. Weniger ist eben doch manchmal mehr. Habe ich jetzt über ein gesellschaftliches Phänomen oder die ganze Zeit über mich geredet? Egal. Ich bin für die geistige Entrümplung, sonst landen wir auf dem Abstellgleis.

In diesem meinem Sinne, bis demnächst.